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FMA und Oesterreichische Nationalbank legen gemeinsam zwei legistische Forderungspakete zur Verbesserung der Finanzmarktaufsicht in Österreich vor

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„Jede Aufsicht kann nur so gut funktionieren wie die Gesetze sind, deren Einhaltung sie zu überwachen hat, und wie die Gesetze sind, mit deren Hilfe sie dem Recht zum Durchbruch verhelfen kann“. Dies schickten die Vorstände der Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA), Mag. Helmut Ettl und Dr. Kurt Pribil, sowie das ab 1. September 2008 für die Bankenaufsicht zuständige Direktoriumsmitglied der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB), Mag. Andreas Ittner, der Präsentation zweier Forderungspakete zur Verbesserung des rechtlichen Rahmens der Finanzmarktaufsicht bei einem Pressegespräch anlässlich des Bankenseminars im Rahmen des Europäischen Forums in Alpbach voraus. Gerade die Finanzmärkte entwickelten sich besonders dynamisch, weshalb die Aufsicht selbst, aber auch der regulatorische Rahmen laufend diesen Entwicklungen angepasst werden müssten, so die Aufseher gleichlautend.

Das österreichische Finanzmarktrecht weist generell – wie jüngst auch der Internationale Währungsfonds bestätigt hat – einen sehr hohen Standard auf. Die gemeinsame Analyse der Ursachen der internationalen Finanzmarktturbulenzen sowie einzelner Problemfälle bei Finanzinstituten in den vergangenen Jahren durch FMA und OeNB hat jedoch einige spezifische Schwachstellen im Finanzmarktrecht erkennen lassen, insbesondere bei Geschäftsbeziehungen von Finanzinstituten zu Stiftungen, Off-Shore-Zentren, Zweckgesellschaften (SPVs) und sogenannten Conduits sowie in der Erfassung von Risiken aus Derivaten und Asset Backed Securities (ABS) im weitesten Sinne. Weiters sei eine punktuelle Weiterentwicklung des österreichischen Verwaltungs- und Verwaltungsstrafrechtes erforderlich, um die Rechtsdurchsetzung effizienter und effektiver zu gestalten.

Nachdem die institutionelle Aufsichtsreform, die mit 1. Jänner 2008 in Kraft getreten ist, nun auch organisatorisch auf Schiene steht, haben FMA und OeNB über den Sommer zwei Forderungspakete an den Gesetzgeber geschnürt, die Schwachstellen im Aufsichtsrecht beseitigen sollen:

  • Ein sogenanntes „Off-Balance-Paket“, das jene bilanzrechtlichen Schlupflöcher schließen soll, die zu den Problemfällen und Turbulenzen der vergangenen Jahre beigetragen haben. Die Stichworte dazu: Flucht in Stiftungsmodelle, in Zweckgesellschaften, Off-Shore-Zentren und Conduits sowie die risikorelevante Berücksichtigung von Derivaten.
  • Ein sogenanntes „Aufsichts-Paket“, das der Aufsicht helfen soll, das Recht noch effizienter und effektiver durchzusetzen. Die Stichworte dazu: Abschreckende Sanktionen, die keinen internationalen Vergleich scheuen müssen (Kampf der Aufsichts- und der Sanktions-Arbitrage); schärfere Instrumente für die Ermittler und für die Verfolger.

„Off-Balance-Paket“

Das „Off-Balance-Paket“ adressiert insbesondere folgende Problemfelder:

Stiftungsmodelle: Das Aufsichtsrecht kennt derzeit keine konkreten Regelungen zur Konsolidierung von Stiftungen und zum Risikotransfer an Stiftungen. Das verleitet dazu,  Stiftungen dazu zu missbrauchen, Risiken außerhalb der Bilanz – und damit vor der Aufsicht – zu verstecken. Das Gleiche gilt für SPVs (Zwecksgesellschaften), insbesondere in Off-Shore-Zentren, und Conduits.

Derivative Produkte und Hedging: Auch hier fehlen bei Anwendung der Rechnungslegungsbestimmungen des Unternehmensgesetzbuches (UGB) verbindliche Bilanzierungsregeln, wie sie etwa nach IFRS bestehen. Die Institute haben daher umfangreiche Bilanzierungswahlrechte, die je nach gewünschter Bilanzpolitik ausgeübt werden. Dabei können gerade Derivate uneingeschränktes Verlustpotenzial und damit Risiko bergen.

Garantien: Die allgemeinen Regelungen des im Wesentlichen für Klein- und Mittelbetriebe geschaffenen UGB bieten nur wenige Ansatzpunkte für die Erfassung und Bewertung abgegebener Garantien.

Diese Beispiele zeigen, dass wesentliche Aufsichtsinstrumente – wie die Eigenmittelanforderungen und die Großveranlagungsbestimmungen bei Banken – ins Leere gehen können. Die Logik des Reform-Vorschlages der Aufsicht zielt dabei nicht auf ein „Verbot“ ab, sondern auf die bilanzielle Erfassung der Risiken und die Einbeziehung in das Risikomanagement der Finanzinstitute. Demgegenüber ist Umgehungskonstruktionen im Bereich Konsolidierung bzw. Bilanzierung, durch die eine risikogerechte Erfassung von Geschäften unterbleibt, generell ein Riegel vorzuschieben. In den oben genannten Fällen bedeutet dies:

  • Transaktionen mit Stiftungen, ABS- und Off-Shore-SPVS sowie Conduits: Die Konstruktionen müssen gegenüber der Aufsicht offen gelegt, in die Bilanz einbezogen und dem Risikomanagement der Bank unterworfen werden. Wird dem nicht nachgekommen, so kann die Aufsicht bei Eigenmittel-Konstruktionen deren Anerkennung verweigern.
  • Bei Derivaten  und ähnlichen Produkten sollte die Bilanzierung nicht mehr Off-Balance erfolgen. Der konkrete Wert ist generell – und nicht erst bei Verlustrealisierung – in der Bilanz zu erfassen, und es bedarf klarer Regelungen, welche Instrumente zum aktuellen Marktwert und welche zu historischen Anschaffungskosten zu bewerten sind. Hedging – also Sicherungsgeschäfte mit Derivaten – muss effektiv sein und dokumentiert werden.
  • Auch für die Bilanzierung von Garantien besteht ein Bedarf an klareren gesetzlichen Regelungen.

Wesentlich ist, dass sich die neuen Regelungen so weit wie möglich am international anerkanntenRechnungslegungsstandard „IAS 39″ orientieren.

„Aufsichts-Paket“

Was nützen die besten gesetzlichen Regelungen, wenn der Aufsicht die Mittel fehlen, um deren Einhaltung auch durchsetzen zu können? Die Aufsicht fordert daher eine Erweiterung ihrer Durchsetzungsmöglichkeiten sowie eine Schärfung bzw. verbesserte Ausgestaltung einzelner bereits bestehender Aufsichtsinstrumente:

  • Das Recht auf Hausdurchsuchung und Beschlagnahme zur Beweissicherung durch die Aufsichtsbehörde (auf richterlichen Befehl und bei Gefahr im Verzug) sowie eine Erweiterung von Auskunftsrechten.
  • Vereinfachung des Verfahrens zur Abberufung eines Geschäftsleiters bei schwerwiegendem Zweifel an der persönlichen oder fachlichen Zuverlässigkeit (derzeit nur in einem Eskalationsverfahren über die Aufforderung zur Wiederherstellung des gesetzmäßigen Zustandes unter Androhung einer Zwangsstrafe möglich).
  • Verpflichtung zur Nominierung eines Zustellungsbevollmächtigten im Inland
  • Die Möglichkeit der Behörde, über das gesetzliche Eigenmittelerfordernis hinaus im Einzelfall ein höheres Eigenmittelerfordernis – sog. „Capital add on“ – anzuordnen, besteht derzeit nur in einem Eskalationsverfahren und gedeckelt bis zu einem Höchstmaß von insgesamt 150%. Ziel dieser Bestimmung ist jedoch keine „Bestrafung“, sondern die Sicherstellung der Risikotragfähigkeit des Instituts. Erforderlich wäre daher eine Abkehr von der Deckelung und eine praktikable Lösung, die als Anwendungskriterium auf die Eignung dieses Instruments zur Verbesserung der Risikosituation abstellt. Nur auf diese Weise kann die Aufsicht speziellen Risiken gerecht werden.
  • Im Sinne der Transparenz und des Anlegerschutzes sollten Finanzprodukte, die nicht dem EWR-Aufsichtsregime unterliegen, speziell gekennzeichnet werden. Zugleich sollten Unternehmen, die aufgrund ihres ausländischen Sitzes nicht dem österreichischen Gesellschaftsrecht unterliegen, besondere Offenlegungspflichten einzuhalten haben (zB Hinweise auf der Homepage der Wiener Börse, in welchen Rechtsbereichen österreichisches Recht anwendbar ist und wo nicht).
  • Angemessene Verwaltungsstrafen:
    • Erhöhung des Verwaltungsstrafrahmens – und zwar von der Strafverfügung (von € 350 auf zumindest € 1000) bis zur Verwaltungsstrafe (derzeitige Höchststrafe € 50.000 bei Marktmanipulation).
    • Neben der Strafe für die verantwortliche natürliche Person braucht es auch die Möglichkeit, Strafen gegen das Unternehmen selbst, d.h. die juristische Person, zu verhängen (Unternehmensstrafrecht; Verbandsstrafrecht)
    • Zugleich sollten effektive Eingriffsmöglichkeiten (zB rasche Untersagung der weiteren Berufsausübung) zum Schutz der Anleger beim Verdacht auf besonders schwerwiegende Verstöße gegen das Kapitalmarktrecht möglich sein

Weiters kündigten die Aufseher an, noch im Herbst weitere Vorschläge zu präsentieren, und zwar „Kapitalmarktorientierte Kommunikationsbestimmungen“: Derzeit habe die Aufsicht lediglich das Recht – unter komplexen Abwägungen in jedem Einzelfall – Maßnahmen und Sanktionen zu veröffentlichen. Ziel sei es, dies unter tauglichen Rahmenbedingungen in eine Verpflichtung zur Veröffentlichung umzuwandeln.

 „Aufgrund unserer Erfahrungen sind wir überzeugt, dass diese beiden Maßnahmenpakete die Effizienz und Effektivität der Aufsicht in Österreich wesentlich verbessern und wir den Gesetzgeber von deren Sinnhaftigkeit überzeugen werden“, so die Spitzenvertreter der Aufsicht übereinstimmend.

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