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EMIR

Durch die EMIR sollen systemische Risiken im europäischen Derivatemarkt eingedämmt werden. EMIR trifft nicht nur Banken und andere Finanzinstitute, erstmals sind auch Unternehmen der Realwirtschaft von einer Finanzmarktregulierung unmittelbar betroffen. Somit müssen sich alle Unternehmen, die mit Derivaten handeln, intensiv mit Fragen auseinandersetzen, die die Beaufsichtigung durch die Finanzmarktaufsicht mit sich bringt.

Was ist EMIR?

Aufgrund der Erfahrungen der Finanzkrise 2008 beschlossen die Staats- und Regierungschefs der führenden Industrienationen im Rahmen des G20-Gipfels im Jahr 2009 in Pittsburgh, den außerbörslichen (over the counter, OTC) Derivatehandel transparenter und sicherer zu machen. Die G20 beschlossen insbesondere, dass künftig standardisierte OTC-Derivate über zentrale Gegenparteien abgewickelt und OTC-Derivate an Transaktionsregister gemeldet werden müssen.

Dieser G20 Beschluss wurde schließlich am 16. August 2012 mit dem Inkrafttreten der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister (European Market Infrastructure Regulation, EMIR) umgesetzt. Die konkreten Spezifikationen der Anforderungen aus dieser Verordnung erfolgten in Form von begleitenden technischen Regulierungstandards. Zu beachten sind außerdem die seither erfolgten Änderungen der EMIR, vor allem im Rahmen des EMIR REFIT 2.1 und EMIR REFIT 2.2.

Wer ist betroffen?

Die EU-Verordnung enthält Anforderungen an Gegenparteien von Derivatetransaktionen. Dabei unterscheidet die Verordnung zwischen sogenannten finanziellen Gegenparteien (FC) und nichtfinanziellen Gegenparteien (NFC). Finanzielle Gegenparteien sind gemäß Artikel 2 Z. 8 EMIR:

  • gemäß RL 2014/65/EU zugelassene Wertpapierfirmen,
  • gemäß RL 2013/36/EU zugelassene Kreditinstitute,
  • gemäß RL 2009/138/EG zugelassene Versicherungs- oder Rückversicherungsunternehmen,
  • gemäß RL 2009/65/EG zugelassene OGAWs und deren Verwaltungsgesellschaften,
  • Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung im Sinne des Artikels 6 Nummer 1 der RL 2016/2341/EU,
  • alternative Investmentfonds im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 Buchstabe a der RL 2011/61/EU, die von zugelassenen oder eingetragenen Verwaltern alternativer Investmentfonds verwaltet werden,
  • gemäß VO 909/2014/EU zugelassene Zentralverwahrer.

Alle anderen in der EU niedergelassenen Unternehmen sind gemäß Artikel 2 Z. 9 EMIR nichtfinanzielle Gegenparteien.

Was sind die Kernpunkte der Verordnung?

Für standardisierte OTC-Derivate wird eine Clearingpflicht eingeführt. Die Clearingpflicht gilt für alle finanziellen Gegenparteien. Nichtfinanzielle Gegenparteien sind nur dann clearingpflichtig, wenn sie in einem größeren Umfang Derivate einsetzen und somit bestimmte Clearingschwellen überschreiten.

Die Clearingschwellen sind wie folgt festgesetzt:

  • EUR 1 Mrd. Bruttonominalwert für OTC Kredit- und Aktienderivate
  • EUR 3 Mrd. für OTC Commodity– und alle anderen OTC Derivate.

Die Clearingpflicht wird seitens der EU-Kommission durch den Erlass von technischen Standards (RTS) festgestellt, welche von ESMA erarbeitet werden. ESMA hat ein öffentliches Register mit den Derivaten zu führen, für die eine Clearingpflicht in der EU gilt.

Derzeit gilt die Clearingpflicht für folgende OTC Derivate:

Wer unterliegt der Clearingpflicht?

Für standardisierte OTC-Derivate gilt eine Clearingpflicht. Seit den Änderungen im Rahmen des EMIR REFIT 2.1 gilt die Clearingpflicht für alle finanziellen und nichtfinanziellen Gegenparteien, wenn sie in größerem Umfang Derivate einsetzen und somit bestimmte Clearingschwellen überschreiten.

Vorgaben für finanzielle Gegenparteien (FC):

Eine FC kalkuliert bei der für die Clearingschwelle relevanten Positionsberechnung gem. Artikel 4a Abs. 3 EMIR alle OTC-Derivatekontrakte ein, die von ihr oder von anderen Unternehmen der Gruppe (FCs und NFCs) geschlossen wurden, der diese FC angehört. Die FC hat die FMA und die ESMA zu unterrichten, wenn sie ihre Positionen in OTC-Derivatekontrakten nicht berechnet oder das Ergebnis dieser Berechnung über einer festgelegten Clearingschwelle liegt. Sie wird in beiden Fällen für sämtliche OTC-Derivatekontrakte, die zu jedweder clearingpflichtigen Kategorie von OTC-Derivaten gehören, clearingpflichtig.

Vorgaben für nichtfinanzielle Gegenparteien (NFC):

Eine NFC berücksichtigt gem. Artikel 10 Abs. 3 EMIR alle innerhalb der Untnerhemnesgruppe geschlossenen OTC-Derivatekontrakte, die nicht objektiv messbar zur Reduzierung der Risiken beitragen, die unmittelbar mit der Geschäftstätigkeit oder dem Liquiditäts- und Finanzmanagement dieser NFC oder Gruppe verbunden sind. Auch die NFC unterrichtet sofort die ESMA und die jeweils zuständige Behörde, wenn sie ihre Positionen nicht berechnet oder das Ergebnis dieser Berechnung für eine oder mehrere Kategorien von OTC-Derivaten über den festgelegten Clearingschwellen liegt. Das Ausmaß der Clearingpflicht ist in weiterer Folge abhängig davon, ob die NFC nicht berechnet oder die Clearingschwelle überschreitet:

  1. Führt die NFC keine Positionsberechnung gem. Artikel 10 Abs. 1 EMIR durch, so wird sie für jedwede Kategorie von OTC-Derivaten clearingpflichtig.
  2. Dagegen ist die Clearingpflicht für eine NFC, deren berechnete Positionen über den festgelegten Clearingschwellen liegt, nur für OTC-Derivatekontrakte anzuwenden, die denjenigen Kategorien von Vermögenswerten angehören, für die das Ergebnis der Berechnung über den Clearingschwellen liegt.

Clearingschwellen:

Die anwendbaren Clearingschwellen sind in der delegierten Verordnung (EU) Nr. 149/2013 geregelt und wie folgt festgesetzt:

  • EUR 1 Mrd. Bruttonennwert für OTC Kredit- und Aktienderivatekontrakte
  • EUR 3 Mrd. Bruttonennwert für Zins- und Devisenderivatekontrakte
  • EUR 4 Mrd. Bruttonennwert für OTC Warenderivatekontrakte und alle anderen OTC Derivatekontrakte

Intragruppengeschäfte:

Gruppeinterne Geschäfte im Sinne von Artikel 3 EMIR können unter bestimmten Bedinungen von der Clearingpflicht befreit werden. Die Details zu den Bedingungen und dem Verfahrensablauf finden sich im Abschnitt Intragruppen Geschäfte Clearing.

Was unterliegt der Clearingpflicht?

OTC-Derivate im Sinne der EMIR sind Derivatekontrakte, deren Ausführung nicht auf einem geregelten Markt im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Nummer 14 der Richtlinie 2004/39/EG (MiFID) oder auf einem Markt in Drittstaaten, der gemäß Artikel 19 Absatz 6 der Richtlinie 2004/39/EG (MiFID) als einem geregelten Markt gleichwertig angesehen wird, erfolgt.

Die Clearingpflicht wird seitens der Europäischen Kommission durch den Erlass von technischen Regulierungsstandards (RTS) präzisiert, welche von ESMA erarbeitet werden. ESMA erstellt und führt gemäß Artikel 6 EMIR ein öffentliches Register mit den Derivaten, für die eine Clearingpflicht in der EU gilt.

Bisher wurden diesbezüglich folgende RTS durch die Europäische Kommission erlassen:

  • Delegierte Verordnung (EU) Nr. 2015/2205 vom 6. August 2015,
  • Delegierte Verordnung (EU) Nr. 2016/592 vom 1. März 2016,
  • Delegierte Verordnung (EU) Nr. 2016/1178 vom 10. Juni 2016,
  • Delegierte Verordnung (EU) Nr. 2017/751 vom 16. März 2017,

Gemäß der relevanten ESMA-Liste gilt die Clearingpflicht derzeit für folgende OTC Derivate:

  • Zinsderivate (Basisswaps, Fixed-to-float Zinsswaps, Foward Rate Agreements (FRA) und Overnight-Index-Swaps)in den Währungen EUR, GBP, JPY und USD;
  • Zinsderivate (FRA und Fixed-to-float Swaps) in NOK, PLN, SEK;
  • Kreditderivate (Index Credit Default Swaps).

Für nicht durch eine CCP abgewickelte OTC Derivategeschäfte gelten besondere Anforderungen an das Risikomanagement (Risikominderungstechniken gemäß Artikel 11 EMIR).

Diese umfassen zumindest die rechtzeitige Bestätigung der Bedingungen des betreffenden OTC-Derivatekontrakts sowie formalisierte Prozesse, die solide, belastbar und prüfbar sind, zur Abstimmung von Portfolios, zur Beherrschung der damit verbundenen Risiken, zur frühzeitigen Erkennung und Ausräumung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Parteien sowie zur Beobachtung des Werts ausstehender Kontrakte.

Am 4. Jänner 2017 trat die Delegierte Verordnung (EU) Nr. 2016/2251 betreffend Sicherheitenaustausch zwischen Gegenparteien von OTC Derivatetransaktionen in Kraft, die die Kriterien für die Anerkennungsfähigkeit von Sicherheiten sowie deren Höhe und Bewertung festlegt.

Die Besicherungspflicht betrifft neu abgeschlossene OTC-Derivatetransaktionen, die zwischen finanziellen Gegenparteien (Financial Counterparties – FC) oder zwischen FC und nichtfinanziellen Gegenparteien (Non-financial counterparties – NFC) oberhalb der Clearingschwelle abgeschlossen werden. Die Besicherungspflicht umfasst die Ersteinschusszahlung (Initial Margin) und die Nachschusszahlung (Variation Margin). Seit dem 1. September 2022 haben alle FC und NFC, die der Besicherungspflicht unterliegen, gem. Artikel 36 Abs. 1 RTS 2016/2251 Initial Margin auszutauschen, wenn der aggregierte durchschnittliche Nominalbetrag nicht zentral geclearter OTC-Derivate jeder Gegenpartei bzw. der Gruppen, der diese Gegenparteien angehören, über 8 Mrd. EUR liegt. Die Pflicht zum Austausch von Variation Margin gilt gem. Artikel 37 Abs. 1 RTS 2016/2251 seit 1. März 2017 ab einem aggregierten durchschnittlichen Nominalbetrag von 3 000 Mrd. EUR.

Um die Transparenz zu erhöhen, sind alle Derivategeschäfte (außerbörslich und börslich) von allen Gegenparteien an ein Transaktionsregister zu melden. Zu melden sind Einzelheiten der abgeschlossenen Derivatekontrakte und jegliche Änderung oder Beendigung von Kontrakten.

Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA hat die Aufsicht über die Transaktionsregister und führt auf ihrer Website ein Verzeichnis aller zugelassenen Transaktionsregister.

EMIR regelt zudem die Anforderungen für die Zulassung und laufende Beaufsichtigung von zentralen Gegenparteien (CCPs) und sieht eine verstärkte Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden vor.

Die Bestimmungen der EMIR gelten in Österreich unmittelbar, da EU Verordnungen direkt anwendbar sind. Begleitende Regelungen der nationalen Umsetzung von EMIR erfolgen im Zentralen Gegenparteien Vollzugsgesetz (ZGVG), welches seit 14.11.2012 in Kraft ist.

Gemäß § 2 ZGVG ist die FMA in Österreich die zuständige Aufsichtsbehörde für die Überwachung der Einhaltung der Anforderungen aus EMIR von Zentralen Gegenparteien (CCPs) und nichtfinanziellen Gegenparteien.

Weitere Informationen

European Market Infrastructure Regulation, EMIR

Verordnung (EU) 2019/834 (EMIR 2.1)

Verordnung (EU) 2019/2099 (EMIR 2.2)

Delegierte Verordnung (EU) Nr. 149/2013

ESMA öffentliches Register der clearingpflichtigen Derivate

Delegierte Verordnung (EU) Nr. 2015/2205

Delegierte Verordnung (EU) Nr. 2016/592

Delegierte Verordnung (EU) Nr. 2016/1178

Delegierte Verordnung (EU) Nr. 2017/751

Delegierte Verordnung (EU) Nr. 2016/2251

Zentrale Gegenpartein-Vollzugsgesetz ZGVG

ESMA Liste aller zugelassenen Transaktionsregister

ESMA Q&A on EMIR Implementation